2. Sind Ihnen in Deutschland schon Personen mit einer antisemitischen Einstellung begegnet und wurden damit konfrontiert ?

Wurden Sie persönlich schon mal mit antisemitischen Vorurteilen    konfrontiert/beschimpft oder aufgrund Ihrer Herkunft diskriminiert?  Falls ja, von wem?

Nicht offen.

Die Schändung des Stuttgarter jüdischen Friedhofs ist mir von meiner Kindheit noch stark in Erinnerung. Wir wissen nicht, wer es war.

Ja, allerdings bin ich manchmal so perplex, dass ich erst im Nachhinein realisiere, was Menschen mir gerade tatsächlich gesagt haben. Das reicht von expliziten Aussagen oder Handlungen bis hin zu subtilen Fragen, bei denen ich mich immer wieder selber hinterfrage, ob ich vielleicht auch etwas überinterpretiere. 

Einzelne deutliche Aussagen waren z.B.: „Ich empfinde eine tiefe Verachtung gegenüber diesem Volk“ (2016 in Tübingen auf der Suche nach einer Wohnung, als wir wegen des Namens der Vermieterin irgendwie ins Thema gerutscht sind) und: „Es tut uns leid, aber einige Mitarbeiter der Abteilung möchten nicht mit einem Israeli oder Jude (das weiß ich nicht mehr) zusammenarbeiten. Wir können daher den Vertrag leider doch nicht unterzeichnen“ (1993 in einem mittelständischen Unternehmen in BaWü). Das Arbeitsverhältnis kam nicht zustande, geklagt wurde nicht. Auf mein Nachfragen bei meinem Vater, weshalb er nichts dagegen unternommen hätte, sagte er: „Ach, dann heißt es doch wieder, ,der dumme Jude‘.“ Eine Bekannte erzählte von ihrer Kreditvergabe bei der Bank für ihre Wohnung in Tübingen und sagte: „This guy was so mean and disgusting – I´m sure he was Jewish“. Meine Geschichtslehrerin der 13. Klasse meinte: „Jetzt legt ihr mal die Stifte weg, das muss ja nicht in die ABI-Zeitung. Wenn ich ehrlich bin, so ganz unvoreingenommen und grün bin ich den Juden gegenüber ja irgendwie nicht gestimmt“, woraufhin niemand etwas sagte, der Unterricht weiterging und auch ich nicht reagieren konnte.   

Subtilere Situationen sind beispielsweise Situationen wie diese: Eine Freundin erzählt mir vom Lehrer ihrer Tochter an einem der Tübinger Gymnasien, der – angeblich aus Spaß –  häufiger Jugendliche den Hitlergruß vor der Klasse nachahmen ließ (2017). Ihr Kommentar war: „Das muss man vielleicht nicht so ernst nehmen; die haben einfach eine andere Art von Humor“. 

Was ich zudem sehr häufig erlebt habe, ist die direkte Reaktion auf das Erwähnen meines Bezugs zu Israel, eine sehr harsche Kritik und ein unmissverständliches Urteil an der Politik Israels (die ich nicht verteidigen will!). Ich finde es sehr wichtig, Kritik äußern zu dürfen – jedoch irritiert mich dabei die Art und Vehemenz zu kritisieren und die Vermischung von Individuum und Politik. In einem persönlichen Gespräch bin ich kein Stellvertreter für die Politik, sondern einfach eine Person, wie jede andere, mit Vorstellungen, Wünschen, Interessen, beruflicher Erfahrung, einer persönlichen Geschichte und vielem mehr, nach dem man gefragt werden kann, bevor wir uns dann gerne auch über Politik unterhalten können. Ich käme einfach nicht auf die Idee, beispielweise über die Politik von Putin oder Orban zu wettern, nur weil mir jemand erzählt, seine Mutter kommt aus Russland. 

Ja, das waren Deutschrußen und meistens mit Ausdrücken wie: „Du bist nicht so, wie andere Juden, du bist gut (oder besser).“

Ich habe noch keine direkten schlechten Erfahrungen gemacht.

Beim Basteln in der Grundschule habe ich auf eine Tasche einen Davidstern gestickt, da meinte die Lehrerin, dass ich ihn sofort wieder runtermachen muss. Trotz Gespräch mit der Leitung, gab es keine Konsequenzen für die Lehrerin.

Bei einem WG Fest, erfuhr eine Journalistin, dass ich Jüdin bin und meinte darauf hin ohne nach meiner Einstellung zu fragen: „Was macht ihr Israelis denn da mit den Palästinensern?“

Ich arbeite zur Zeit für eine renommierte Parfümerie Kette in Deutschland mit sechs türkischen Verkäuferinnen. Wir verkaufen Kosmetikprodukte aus der ganzen Welt. Die Kosmetikprodukte von der israelischen Firma Ahava sind sehr begehrt und beliebt bei uns. Während des letzten Gaza Krieges hat eine türkische Verkäuferin mir offen gesagt dass sie die israelische Produkte nicht verkaufen, weil Israelis Palästinenser töten. Die Frau versucht mich seit Jahren raus zu mobben aber sie beißt auf Granit. Ich bin hoch zum Filialleiter und habe mich beschwert. Ich habe ihm gesagt, dass wir keine Politik machen am Arbeitsplatz und wir haben alle Produkte mit Freude und Begeisterung zu verkaufen. Der Filialleiter war blass und stumm. Als ich seine apathische Reaktion gemerkt habe, habe ich ihm gedroht, mich an den Inhaber der Geschäfte zu wenden und an die Presse.

Personally, I had only two very brief direct incidents with people with anti-semitic attitude. The first one was when I just arrived to Germany. I was on a night train in Heidelberg with a friend (who was german) and someone on the train asked me where I come from. I said I am from Israel and he asked why do I come to Germany then. I was very naive at this point and thought he was really interested in the reason why I came here and told him about my studies. But then an intense conversation in German between him and my friend followed my answer and my friend said we should move to some place else on the train and only then I realized that his question was meant more like why do you keep coming after we tried to get rid of you, why do you keep coming back.

The second experience was unfortunately with a friend. We got to know each other in a mothers group here in Tübingen. She is also a foreigner in Germany. We met one day on the street exchanging information about signing a mortgage for the new apartment we bought. I was joking that by signing the mortgage contract I felt like I was signing a contract with the devil as you are bound to pay so much money for the bank in the next 30 years. She responded that she had the same experience when she and her husband were signing their mortgage and that she is quite sure that the banker who signed them was Jewish, because he looked evil and had a big nose. I was shocked. Did not really respond anything back and just continued talking normally about other stuff while the tears were suffocating in my throat. I wasn’t aware that this image of a jewish person still exists and especially not among young people and for sure not among friends. Maybe she forgot I am Israeli, or maybe she has absolutely no idea about who and where Jewish people are. I still did not confront her about it. 

Derzeit wohne ich in Berlin und erlebe regelmäßig groß angelegte antiisraelische und teilweise antisemitische Demonstrationen, welche durch die Straßen ziehen und diverse volksverhetzende Sprüche rufen. Auch wenn die Kritik an der israelischen Politik zu einem gewissen Grad berechtigt ist, fühle ich mich sehr unwohl in der Umgebung von diesen Veranstaltungen und gehe nicht offen mit meiner jüdischen und israelischen Herkunft um. Das liegt vor allem daran, dass diese ganz und gar nicht den Anschein erwecken eine friedliche Plattform für Gespräche oder Diskussionen zu bieten. 

I have encountered some people with anti-Semitic attitude a few times. It’s always scares me to be surrounded by people who live a lifestyle of hate instead of understanding the other side and support values of peace. In these situations I feel sad for all of us. As a liberal human society, that still experiences such objectionable and violent behaviours although history had shown us all what hate leads to. 

Jede Menge, oft verdeckt. Nazigespräche am LKW CB-Funk bei denen man sich mit HH verabschiedet.

Leider immer wieder. Antisemitismus ist tief in der Gesellschaft vorhanden, dass man immer wieder mit antisemitischen Stereotypen konfrontiert wird, die manche Menschen nicht mal bewusst wahrnehmen. 

Ja, auf einer Demo zur Unterstützung Israels während Beschuss aus Gaza wurden wir von der gegnerischen Seite beschimpft. 


I never met an anti-Semitic person in Germany or Europe.

Ja, die gibt es. Anonymer Anruf mit Beschimpfungen als Jesus-Mörder-Bande oder allgemeine Bemerkungen, die sich nicht an mich persönlich richten. Ein ehemaliger Vorgesetzter meinte, Juden riechen das Geld.

The Anti – Semitic attitude was never directly to me and was never aggressive. But I heard as an example my company auditor saying. “Your people are smart and know to deal with money”. I perceive it as anti – Semitic attitude. I always thank the people for giving me a compliment in the name of my folk. 

Not directly.

Ich kann mich an keine solche Situation erinnern.

Nicht, dass ich davon wüsste.

Ich weiß es nicht, geäußert hat sich keiner.

Aussprüche wie „Er ist Jude, aber ein ganz anständiger“ oder „Was sagst du denn zu dem, was dein Israel gerade macht?“ Unsere Familie lebt seit neun Generationen in Deutschland und ich habe einen deutschen Pass!

Die Sensibilität für Antisemitismus entwickelt sich immer  mehr. 

Die Baisinger Buben durften mit  7/8 Jahren alle mithelfen, die Kirchenglocken zu läuten, ich war da auch dabei. Da zog mich der Messner  aus der Kirche raus und sagte: „Du hast hier nichts verloren, ihr habt den Heiland umgebracht.“ Ich habe zu Hause nichts erzählt.

Ja, und zwar in der Akademie (Prof. Ebene). Ich sollte doch nach dem Studium zurück nach Israel kehren…Studium ja, Arbeitsplatz nein.

Ja, aber in der Ukraine. In der Schule vom Schulkammeraden beschimpft als Jüde (Zhid).

Beim Hausbau in Tübingen wurde uns ein Hakenkreuz an die Wand gemalt.

Wir hatten es (…bei der Einbürgerung…) mit einem Beamten zu tun, der uns rausekeln wollte. Er hat immer Paragraphen gefunden, um uns das Leben zu vermiesen. Meine Schwiegereltern sind seit Jahren eingebürgert und auch mein Mann sollte die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Ich bin geblieben um diesen Beamten zu ärgern. Er ist schon lange tot und ich bin noch da.

Ich habe lange Jahre in der Schweiz gearbeitet hatte in einem Kaunter von Dr Paiot und Gucci. Eine ältere Kollegin, die in Rente gehen sollte,  hat meine Parfum und Pflegeausstellung bemängelt. „Es sieht aus wie ein jüdischer Lädle.“ „Ja“, habe ich geantwortet „Ich bin auch jüdisch und ich will, dass es so aussieht. Und Sie sollten einem jüdischen erfolgreichen Unternehmer danken, der Ihnen so viele Jahre einen guten Lohn bezahlt hat.“

Not directly.

Wahrscheinlich aufgrund meines sehr westlichen Aussehens und der Tatsache, dass ich keine jüdischen Symbole oder dergleichen trage, wurde ich bisher kein Opfer von spontanen rassistischen oder antisemitischen Anfeindungen auf der Straße. Es gab jedoch eine Situation vor mehreren Jahren, in meinem damaligen Fußballclub in Tübingen, zu einem Zeitpunkt als das israelische Militär ein türkisches Boot angegriffen hat. Eine kleine Gruppe Deutscher mit arabischen und türkischen Wurzeln, welche über meine Herkunft Bescheid wussten, haben mich im Training verbal angegriffen und auch das ein oder andere Bein gestellt. Ich habe daraufhin den Fußballverein gewechselt, um diesen regelmäßigen Schikanen zu entfliehen.

Yes, one time on the U-Bahn and another time in a festival. The experience on the u-Bahn was shocking, sad and a bit scary. I was talking with my family in Hebrew and a few refugees yelled “fuck Israel” and then moved to another U-Bahn car. At the second time I was with some Israeli friends of mine in a music festival. A child heard us speaking.

Beim Kaffeetrinken mit einer Freundin nahm ich keinen Kuchen und sagte auch, dass mir der Preis zu hoch erscheint. Da sagte meinen Freundin :Du Jude!

Im Kibbuz sagte ein Deutscher, Ihr Juden mit euren großen Füßen und Nase!

Beschimpft auf einer Szene auf einem Gehweg als ich aus Zivilcourage in einen gewalttätigen Konflikt zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau eingriff. Weil ich eine Kippa trug beleidigte der Angreifer meine Person.

Durch meinen halb-israelischen Hintergrund ist es manchmal schwer Antisemitismus von Antizionismus zu unterscheiden. In den meisten Erfahrungen sind diese beiden Aspekte allerdings eng miteinander verwoben und mir wurde mein „jüdisch sein“ vorgeworfen. Zum Beispiel zu Schulzeiten von Jungen aus meiner Schule. 

Schwer zu sagen. Direkt wurde ich noch nie dies bezüglich angegriffen. In UdSSR wurde mir eine Stelle in einem Forschungslabor verweigert mit einer Begründung der Personalabteilung, dass es dort genug Leute mit solchem Nachnamen gibt. 


Einen Person, der mich fast jede Woche (für 5 Jahre!) aufklären wollte, was Israel gegen die Palästinenser in der letzte Woche gemacht hat. Er erwartete, ich würde einsehen, wie schlimm Israel ist. In einer Diskussionsrunde, einen Teilnehmer der mich beschimpft und sagte, er freut sich über jeder jüdischer Mann, Frau und Kind, der von Hamas getötet wird. 

Ja, in Russland wo ich herkomme. Von Behörden, von Nachbarn, von Bekannten, einfach auf der Straße.

Sometimes I will hear jokes about the fact that I´m suppose tob e good with money but nothing further than that.

Nein, da ich nicht darüber spreche außer einmal (s.o. anonymer Anruf).

I generally in contact with people with high education and most are tolerant. I am in contact with many people that heard a lot about Jewish people but never meet one. For them it is interesting to meet me as a new “animal” they are getting to know. They try to put the pictures they have about jewish people on me. This not always work.

Ja, ich wurde mal JUDE-BIBBLE genannt, von einer Bäuerin in Gegenbach…was das genau meint, weiß ich bis heute nicht 

I heard about it, but not to me in person.    

Nein, bislang wurde ich immer mit positivem Interesse nach meiner Abstammung befragt.

Ja, vor vielen Jahren und nicht in Deutschland.

Alle anderen antworteten mit Nein.

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